Suche nach dem Glück

Neulich ist mir ein schwerer Fauxpas unterlaufen: Ich habe mich glatt erdreistet, auf einem Nachrichtenportal auf Facebook einen Rechtschreibfehler im Titel zu korrigieren. Ich reagiere allergisch, wenn ich „was für´s Herz“ lesen muss. Das erinnert mich an all die „Inge´s Frisörsalon“ und „Matze´s Kneipe“ der 1980er Jahre – die falsch gesetzten Apostrophe hatten mithin die ganze Dekade meiner Jugend Zeit, mich zu zermürben. Also fasste ich mir mein Herz und wies den Redakteur in einem Kommentar darauf hin, dass auch nach der Rechtschreibreform im Deutschen ein Apostroph ein e, jedoch kein a ersetzt: Dass es folglich „was fürs Herz“ und nicht „was für´s Herz“ heißen müsste.

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We are all broken! lese ich als Titelüberschrift von Scientific American – manchmal heitere ich meinen Morgen mit einem Blick in das populärwissenschaftliche Online Journal auf. Der Artikel beschreibt in wenigen Worten, dass es vielen Menschen schwer fällt, über psychische Störungen zu sprechen, um dann, wenig elegant und eher bemüht, Anstecker anzupreisen: Diese Pins zeigen comichaft Tiere mit einer eingebunden Tatze, einem gebrochenen Bein etc. Ich habe nicht ganz verstanden, wo die Parallele zu seelischen Verletzungen, auf die sich der Artikel beziehen will, versteckt sein mag – noch weniger verstehe ich, weshalb ich mir Schmerzen und Krankheit wie eine Brosche ans Revers heften soll.

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Als ich ein Kind war, ging mein Großvater oft mit mir an den Chiemsee: In meinen Augen war er als Leiter der Wasserwacht der größte Held der Welt. Wenn er nachts ausrücken musste, weil sich trotz der Sturmwarnung ein unbedarfter Tourist aufs Wasser wagte und dann den schützenden Hafen nicht mehr erreichte, sah ich ihn in meiner Vorstellung den Havarierten, wie der heilige Christophorus das Jesuskind, aus den Fluten tragen. Ich liebte es, mir Geschichten auszudenken, die ich ihm dann erzählte, wenn wir zusammen auf der Hollywoodschaukel saßen und ich seinen Pfeifenrauchkringeln nachblickte. Ruhig hörte er zu, um ab und zu andächtig seinen Kopf zu wiegen und sein „mhm“ zu brummeln und mich ziemlich grob am Ohr zu ziehen. Ich hielt den Schmerz aus, den er mir damit verursachte, und blinzelte die Tränen weg, denn ich spürte, dass dies sein allergrößter Liebesbeweis war – und auch die einzige „Zärtlichkeit“, zu der er fähig war. Wie so viele andere dieser Generation war auch mein Opa...

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„Links oder rechts?“ fragt mich ein Freund bei einem abendlichen Treffen in meinem Stammlokal und hält mir sein Handy unter die Nase. Auf einem Foto blickt mir eine recht adrette Frau mit einem angestrengt wirkenden Lächeln entgegen, während sie sich vor irgendeiner Sehenswürdigkeit in Pose wirft. Ich bin verwirrt. „Also links ist erst mal immer besser als rechts“, entgegne ich, nehme das Handy, das er mir entgegenstreckt und wische das Bild aus Versehen nach oben. „Jetzt hast du ihr ein Super Like gegeben!“ ruft er etwas entsetzt aus. „Oh“, sage ich, „und das ist nicht gut?“

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Dieses Mal bin ich auf der anderen Seite des Flusses gelaufen, dort, wo die Luft viel klarer ist und die Wege nicht von Müll überhäuft. Ich bin in die andere Richtung gerannt, nicht der aufgehenden Sonne entgegen wie sonst, sondern entgegengesetzt, fort von ihr. Nun sitze ich am Ufer des dunklen Sees, in dem sich die Bäume mit ihrem nun schon dichten Blätterwerk spiegeln. Ich suche mir dicke, runde Steine, die ich ins Wasser werfe. Ich mag es, wie die sanften Wellen sie mit einem zufriedenen Schmatzer verschlucken.

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Seit geraumer Zeit sehe ich beim morgendlichen Laufen einen anderen Jogger: Nachdem er zu einer festen Uhrzeit zu laufen scheint und meine Zeiten, je nach meinen Terminen, stark variieren, treffe ich ihn mal auf meinem Hinweg, mal auf dem Rückweg, manchmal einige Tage gar nicht. Irgendwann haben wir begonnen, uns mit erhobener Hand zu grüßen und uns zuzulächeln – was heute nicht mehr allzu häufig unter den Sportlern der Fall ist. Viele drehen in exklusiver Sportklamotte mit verbissenem Gesichtsausdruck ihre Runden, versuchen, ihrem Hobby Leistungssportcharakter zu verleihen, die Kopfhörer schirmen sie von der Außenwelt ab.

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Als ich Mitte der 1990er aus Spanien zurückkam und in Augsburg zum Philosophiestudium strandete, war es unter uns Studenten gerade sehr en vogue, über die „Gehirn im Tank“ Thesen der zeitgenössischen Philosophie zu debattieren. Das waren sozusagen gedankliche Vorläufer des späteren Hollywood-Blockbusters „Matrix“. Auch das Gedankenexperiment der Forscherin Mary machte die Runde: Sie wuchs in einem farblosen schwarz-weiß Labor auf, studierte die Farblehre, weiß alles über die Wellenlängen des Lichts und den Farben, die so entstehen. Sie weiß, dass der Himmel blau ist, das Gras grün, dass Kirschen rot sind. Doch dann wird ihre Tür geöffnet: Sie tritt nach draußen, wendet das erste Mal den Blick gen Himmel, sieht seine Farben: Macht sie nun eine neue Erfahrung, hat sie einen Erkenntniszugewinn? (Wer sich jetzt denkt, dass man schon sehr bekloppt sein muss, um über so was nachzudenken, dem möge gesagt sein: So sind wir, wir Philosophen – irgendwie ein wenig anders.) Diese Fragestellung...

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„Es ist viel schlimmer, um jemanden zu trauern, der noch am Leben ist“, lese ich in einem Post – und sofort regt sich Abwehr in mir. Nicht nur, dass ich diese Aussage für sehr despektierlich, illegitimerweise wertend und narzisstisch halte – ich halte diese Aussage in ihrem feststellenden Charakter für gefährlich. Anderen, die trauern und leiden gegenüber ist sie schlichtweg unangebracht und entwertend, doch sich selbst gegenüber stilisiert sie Leiden als ein selbstgerechtes Opfer. Leiden ist weder interpersonell skalierbar: Niemand hat das Recht zu sagen, er leide mehr oder weniger als andere. Es ist eben kein Wettkampf, wer mit dem meisten Leiden durchs Leben geht. Noch ist Leiden eine unabdingbare festgelegte emotionale Konsequenz wie Schmerz (und sogar hier ist die Schmerzwahrnehmung interindividuell höchst unterschiedlich): Leiden setzt immer bereits die Interpretation eines Geschehens voraus. Leiden entsteht aus der eigenen kognitiven Perspektive heraus, ist kein „Ding an...

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Wer sich in den ersten Januar-Wochen noch nicht gesehen hat, wünscht sich immer noch viel Glück im neuen Jahr. Manchmal frage ich dann, was denn Glück bedeuten mag. Ist es das für immer unerreichbare Glück des Señor Rossi unserer Kindheit, bei dem nach jedem Kuchenstück, dem Auto, der Reise immer noch eine andere Verlockung die erzielte Zufriedenheit verhindert? Den Menschen in meiner Umgebung ist es meistens ziemlich klar, welches Stück zum Glück ihnen zu fehlen scheint: manchmal ist es der Traumjob, oft das Unabhängigkeit versprechende Geld, fast immer die große Liebe.

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Ist wirklich schon jene Jahreszeit angebrochen, die jeden dazu einlädt innezuhalten, um das bislang Geschehene Revue passieren zu lassen? Gerade eben noch lagen wir am Strand und suchten im Wasser Kühlung – und nun, wenn wir, die Jacken noch locker um die Hüften geschlungen, abends im Biergarten sitzen, sind wir uns einig, dass jeder verbleibende Sommertag der letzte sein könnte. Wir teilen uns die Nostalgie gerecht, jeder bekommt seinen Teil davon ab. Was fängst du damit an?

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Als ich vor einigen Jahren in der Mongolei unterwegs war, bereitete ich mich als vorausschauende Deutsche mit den üblichen Brocken der Fremdsprache auf zwischenmenschliche Begegnungen vor: Ich lernte also Standardworte wie „Bitte“ und „Danke“. Freudig setzte ich diese Vokabeln ein, wann immer es ging. Natürlich wunderte ich mich, weshalb ich meist nur verblüffte Blicke erntete. Am Ende meiner Reise traf ich endlich eine einheimische Studentin in der Hauptstadt, mit der ich mich auf Englisch austauschen konnte – ich fragte sie, ob meine mongolische Aussprache denn so schlecht sei, dass mich niemand verstünde, wenn ich mich bedankte. „Nein“, klärte sie mich auf, „es liegt daran: Wir bedanken uns nicht – denn wenn jemand etwas gibt, tut er das nicht nur wegen des anderen Menschen – er tut es vor allem wegen sich selbst.“

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Empathie hat eine Kehrseite: Dann, wenn es darum geht, uns von jemanden zu distanzieren, der uns Unrecht tut oder eine unangenehme Situation zu beenden. Sehr schnell sind wir aus unserer Empathie heraus dabei, Verständnis für die andere Person, für den „Täter“ aufzubringen unser eigenes Verhalten, unsere eigene Empfindung zu hinterfragen. Und dabei ginge es doch, ganz im Sinne des Selbstschutzes, für sich selbst einzustehen, vielleicht auch, die Flucht zu ergreifen. Doch was fehlt, ist Empathie mit uns selbst: Wir sind zu sehr beim Anderen, zu wenig bei uns selbst. Es können Kleinigkeiten sein, die sich aufsummieren: Der Nachbar, der seinen Zigarettenqualm auf den Flur lüftet, der Vermieter, der dich abfällig behandelt... Es können die ganz großen Dinge sein: Dein Partner, der dich hintergeht, der dich beleidigt und beschimpft...

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Während einiger meiner Freunde sich bereits in die freiwillige Selbstisolation zurückgezogen haben, um jeder möglichen Gefährdung und Gefahr durch Ausharren aus dem Weg zu gehen, spüren andere Freunde ebenso die Tatendrang: JETZT will sich noch getroffen werden, JETZT will dieses oder jenes noch erlebt sein. Die Atmosphäre ist von einer ängstlichen Dringlichkeit erfüllt, von einer Erwartungshaltung, dass uns erneut jeden Moment unsere Autonomie, für unsere Bedürfnisse einzustehen, abgesprochen wird. Freiheit, Selbstbestimmung, Beziehung und Bindung sind ebenso wie Sicherheit, Gesundheit und Bewegung Bedürfnisse. Niemand kann, niemand darf sie für uns reglementieren, niemand darf sie uns nehmen. Wenn wir schon, nach Hannah Arendt, über kein Menschenrecht an sich verfügen,d ass wir nicht immer und immer wieder neu aushandeln, neu erstreiten müssen, so teilen wir mit allen anderen Lebewesen die Bedürfniswelt: Da gibt es nichts auszuhandeln, zuzuteilen – oder abzusprechen. Freunde...

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Ich atme die Luft der heiligen Berge. Nachdem ich mir im Smog der Großstadt wünschte, ein kiemenatmender Goldfisch zu sein, entfloh ich den Massen der Menschen und suchte die Einsamkeit. Dort hinten wehen Gebetsfahnen im Wind, die Sonne verschwendet hoffnungsvoll ihre Strahlen an ein düster-graues Schneefeld. Ich setze mich auf einen Felsen, der sich der Frühlingswärme entgegenreckt. Ist das Glück, das hier mit dem Versprechen auf Erfüllung der Sehnsucht lockt?

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Ich sitze in der Abenddämmerung auf dem Steg und lasse meine Beine ins Meer baumeln – doch bevor ich nicht nur körperlich, sondern auch geistig in meinem Urlaub ankommen kann, muss ich meinen vagen Gedankengespinsten noch etwas Aufmerksamkeit widmen, so dass sie sich beschwichtigt auflösen. So lasse ich die wichtigsten Ereignisse der letzten Wochen Revue passieren, verweile dabei auch noch ein wenig mit einigen meiner Studierenden und Klienten und bei ihren Anliegen. Viele meiner Kollegen werden bestätigen, dass sich spezifische Themen zeitlich häufen – verschiedene Klienten präsentieren zur gleichen Zeit ähnliche Herausforderungen zur Bearbeitung in der Therapie. Dies ist die Zeit der Beziehungsthemen. Und während ich hier die laue Abendwärme und den Pinien-Duft der lykischen Küste tief in mich aufnehme, ist mein Gemüt noch in heller Aufruhr, mein Herz schlägt schnell, und meine Gedanken drehen sich trübe im Kreis: Wird diese oder jene therapeutische Intervention schon zum Erfolg...

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