Ich habe kürzlich eine Muschel geschenkt bekommen: Von außen sieht sie grau und unscheinbar aus, kaum jemand würde sich am Strand nach ihr bücken – innen glänzt sie silberfarben. Nun ruht sie auf dem Fenstersims in meiner Praxis, und stets, wenn sich ein Sonnenstrahl in ihrem Schimmer verliert, erinnert sie mich daran, dass wenig ist, wie es scheint.

Vor wenigen Tagen saß ich im Gespräch – neben mir stand eine Vase mit sechs Strelizien. Ihr leuchtendes Orange absorbierte meine Aufmerksamkeit, immer mehr zogen ihre Farben mich in ihren Bann – bis, auf einmal, ihre Form sich zu verändern schien: Wie eine scharfe Spitze, schnabelgleich, richtete sich die Blume aus, und vor meinem inneren Auge entstand das Bild einer extraterrestrischen Drohne: Sie hatte den Auftrag, bis zum innersten Wesenskern vorzustoßen und ihn zu vernichten.

Ich verstehe dich, wenn du sagst, dass nichts mehr ist, wie es gerade noch schien. Ich weiß, was du meinst, wenn du erzählst, dass in einem Augenzwinkern deine Welt in Scherben lag. Wie du bemüht warst dich neu zu erfinden, wie du, immer wieder und wieder, gescheitert bist. Das, was du früher als Sinn empfunden hast, zerrann dir wie Sand zwischen den Händen, zu oft hast du gehört, du seist nichts wert. Und irgendwann hast du begonnen, daran zu glauben.

Du bist dem anderen in seine narzisstische Welt gefolgt, hast aus seinen entwertenden Augen auf dich selbst geblickt – und was du sahst, ließ nur einen Schluss zu: Du bist nichts wert. Du bist nichts. Du bist nicht.

Du hast den Glauben daran verloren, dass es eine Alternative gibt.

Im Englischen beschreibt der Begriff „Gaslighting“ den Prozess der konsequenten Manipulation durch einen anderen Menschen, meist den Partner, derart, dass die eigene Wirklichkeitswahrnehmung mehr und mehr in Frage gestellt wird – mehr und mehr übernimmst du dabei die Sicht des anderen, der deine Wahrnehmung als verrückt, falsch, gestört beschreibt. Nur noch vage spürst du, dass du richtig bist, der andere dich in Selbstzweifel, psychische Instabilität, schlussendlich in den Wahnsinn treibt.

Auch, wenn dem „Gaslighter“ oft gar nicht bewusst ist, was er da tut (aus seinem Narzissmus heraus ist dies meist eine unbewusste Strategie, sein Gegenüber dadurch an sich zu binden, dass er es klein macht und in die Abhängigkeit treibt), stellt „Gaslightning“ psychischen Missbrauch dar, der sich als Liebe tarnt.

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Spür´ in dich hinein: Will, kann der andere in dir denn dein Bestes sehen? All das Starke, all das Gute, was dir selbst bislang vielleicht verborgen blieb? Geht er mit dir so um, als ob du dieses Beste bereits leben kannst? Was siehst du selbst, wenn du in diese anderen Augen blickst? Traust du dich, darfst du dich trauen, dich in ihnen zu verlieren, weil du in dieser Tiefe dennoch sicher, weil du geborgen bist?

Spür´ in dich hinein – entscheide dich. Gehe oder bleibe – aber sorge für dich. Lass nicht zu, dass du selbst vergisst, hinter dem Schein, den der andere dir aufzwingen will, dich in deinem wahren Sein zu erkennen. Lege deine Pferdemuschel in den Schatten der Strelizie, die sich in ihrem Silberglanz selbst zu spiegeln beginnt.

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